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Das Interview für's Ox, das leider dort nicht vollständing und dazu noch verhackstückt abgedruckt wurde. Das Gespräch fand zum Teil im Backstage vom Kassablanca in Jena statt, vor unserem allerletzten Auswärtskonzert... Hier der komplette Text:

Mother´s Pride
Keine Zeit für Spaß?

Nun hat es sie also auch erwischt. Berlins Skalieblinge haben sich mit ihrem Abschiedskonzert am 24.5. im SO 36 aufgelöst. Als die Trennung auf ihrem Dampferkonzert am 8.12.01 bekannt wurde, war die Überraschung sehr groß. Nach knapp 13 Jahren Bandgeschichte kam das alles etwas plötzlich. Die Antworten auf alle brennenden Fragen blieben die Herren auf jeden Fall nicht schuldig. Das Interview wurde in zwei Etappen geführt. Die Erste in Jena VOR ihrem letzten Auswärtsauftritt mit der chaotischen Band, wo ich nicht zu Wort kam, und die Zweite im Berliner Enzian, der Kneipe vom Wahren Heino, mit Sänger Ras Meyer.

J.B. (Keyboarder): Herr Meyer, wie sieht es mit ihrer Altersvorsorge nach der Bandauflösung aus?
Meyer kann vor Lachen nicht antworten.
Roland (Alt-Saxofon): Wenn diese bandinternen Geheimnisse bekannt werden, findet ja kein Konzert mehr statt.
Meyer: Ja, ich wurde erst letztens wieder ausgezahlt.
Roland: Wie lebt es sich eigentlich so auf Bandkosten?

Für wen war die Frage jetzt?
Meyer: Also ich habe einen Vertrag mit der Band, dass ich pro Auftritt neun Euro bekomme.

Gut, fangen wir einmal ganz von vorne an. Alles begann im Quartier Latin...
Meyer: Welches Quartier? Ich kenne nur...
Roland: Hieß das nicht früher Erotikparadies?
- Auf der Autobahn gab es ein Schild: Abfahrt Erotikparadies... -
Meyer: Das Paradies auf Erden.

Gut, anderes Thema. Ihr ward ein Produkt der Skaexplosion Anfang der 90er um THE BRACES, SKAOS...
Meyer: Ja, das war sehr blutig. Viele Bands sind nach der Explosion gestorben.
Roland: Irgendwie muss das ein Fluch sein. Jetzt sind wir ja auch weg.

Hier brechen wir vorsichtshalber ab, ehe noch mehr intime Details über die Bandchemie und ihre Experimente bekannt werden... Im Enzian ging es zwar etwas ruhiger, aber in ähnlicher Bewirtung weiter.

Also alles fing beim aller ersten deutschen Skafestival im Januar 1989 im Berliner Quartier Latin an. Dort hast du Eckert, den späteren MOTHER´S PRIDE-Drummer, kennen gelernt.
Meyer: Ja, wir kamen von dort und stiegen beide in den 48er-Bus ein. Wir sahen uns beide ganz ähnlich. Beide im Anzug. Dann hat er mich zu seinem Geburtstag eingeladen. Eckert war dafür bekannt in Lankwitz und Steglitz, wenn seine Eltern verreist waren, immer große Partys in der sturmfreien Bude zu feiern. Im Übrigen war er auch der Friseur der Lichtenrader, Lankwitzer, Steglitzer Untergrundszene. Von Irokesen über Psychofrisuren, Glatzen hat er alles geschnitten. So hat er sich etwas Taschengeld dazuverdient. Er hat dafür immer Partys veranstaltet, wo er alle Leute eingeladen hat. Bei so einer haben wir uns kennen gelernt. Irgendwann saß ich im Cafe Kias in Schöneberg. Ich habe mit meiner Freundin Schach gespielt. Da kamen einige Klassenkameraden. Es war nicht zu übersehen, auf welche Art von Musik ich stehe. Egal ob Winter oder Sommer, ich bin immer im Anzug mit Hemd und Krawatte herumgelaufen. Die waren in der Klasse von meiner Freundin und fragten, ob ich jemand kenne, der Lust hat bei einer Band in Richtung SKAOS / POGUES mitzuspielen. Ja, meinte ich, ich bin´s. Das war damals unser Bassist. Der hatte noch ein paar andere Leute an der Hand. So trafen wir uns bei ihm im Wohnzimmer, weil seine Eltern oft außer Haus auf Geschäftsreise waren. Alle kamen irgendwie vom Canisius-Kolleg. Über eine Annonce haben wir noch unseren ehemaligen Keyboarder Blend gefunden. Wir haben zwar mit der Band schon angefangen, aber uns fehlte noch ein Schlagzeuger. Jetzt kommt die Geschichte mit dem Haarschneiden zurück. Berry, unser jetziger und auch schon langjähriger Gitarrist, wurde auch von Eckert frisiert. Als er beim Haarfrisieren war, erzählte ihm Eckert, dass wir eine Band gegründet haben. Berry meinte, dass er noch im Keller ein altes Schlagzeug hat und ihm Unterricht geben könnte. Das war so die Bezahlung. Eckert bekam nun 2 ½ Wochen Schlagzeugunterricht. Kurz danach gingen wir schon auf die Bühne. Als wir so weit waren, unser erstes Album in Bamberg aufzunehmen, ist unser damaliger Gitarrist lieber Skifahren gewesen. Da hat sich Berry, der eigentlich Schlagzeuger ist, schnell das Gitarrespielen selbst beigebracht und ist mit uns ins Studio gegangen. Unseren Yaari bekamen wir auch durch unseren ersten Gitarristen. Der stammte aus seinem Freundeskreis. Also er WAR sein Freund!

Wie kam es, dass ihr euer erstes Album in Bamberg aufgenommen habt? Das war ja eine sehr kleine Produktion an und für sich.
Über seine Ausbildung lernte Eckert Ignatz kennen, der früher für Percussion bei uns zuständig war. Der hatte schon musikalisch einiges auf dem Buckel. Ignatz hatte auch schon Plattenaufnahmen und spielte in einer Art Glamrockband mit Majordeal, die auch richtig schon in der Bravo war. Der stieg bei uns ein und kam aus Bamberg. Er hatte einen Kontakt zu einem Tonstudio. Dort konnten wir sogar unter Hypnose, die erste Platte einspielen. Die Mutter vom Tontechniker war so eine Heilpraktikerin. Eher so in Richtung Hexe. Zum Entspannen gab es eine Hypnosetherapie. Das haben wir nicht angenommen, wie man hört.

Euer anfänglicher Sound wurde ja stark durch diesen Skaboom Anfang der 90er um BAD MANNERS geprägt.
Das war eben die Zeit von den BRACES und von SKAOS. Das war eben alles sehr albern. Bald kam auch der erste SKAndal-Sampler heraus. Das war Stimmungsmusik. Ska war und ist das immer gewesen, aber in der Zeit war es besonders partymäßig und wenig auf musikalische Feinheiten abgestimmt. Vielleicht sind die Bands ernster geworden. Viele erinnern sich jetzt auch zunehmend an die alten Wurzeln und den Stil.

Ja, in Süddeutschland setzt zur Zeit eine wahre Rocksteady- und Reggaeeuphorie ein. Ihr habt euch ja auch gewandelt, wenn man sich euer aktuelles Set ansieht. Weg vom schnellen Skapop, hin zu Reggae-lastigeren Stücken.
Letztens haben wir uns über Bob Marley unterhalten, wie er vom Ska zum Rocksteady und dann zum Reggae kam. Das ist eben mit fortschreitendem Alter gemütlicher. Am Anfang ist schneller Spielen einfacher. Langsamer ist schwieriger. "Reefer Man" hatten wir schon zur Bullshit-LP-Zeit im Programm, aber der Song musste erst einmal reifen, ehe wir ihn aufnehmen wollten. Wir wollten immer mixen zwischen Schnell und Langsam. Bei dem geplanten, neuen Album, aus dem nun nichts wird, hatten wir auch vor, nicht zu langsam zu werden. Uns ist das selbst aufgefallen. Also eine Reggaeband sind, waren und wollen wir nicht sein.

Das Besondere an MOTHER´S PRIDE war wohl die perfekteingespielte Rhythmusgruppe. Hier war durch jahrelanges Zusammenspielen eure große Stärke.
Wobei man dazu sagen muss, dass unser Schlagzeuger nie übt. Nur im Proberaum. Da gehört viel Rhythmusgefühl dazu. Vom Plattendrehen nimmt man einiges mit. Dazu muss man schon ziemlich fit sein. Das ist es ja auch, was unseren Gitarristen so frustriert hat. Berry hat ihm einen recht fiesen Bossa Nova vorgespielt, und Eckert hat ihn einfach flott nachgespielt. Irgendwann kam er an seine Grenzen. Berry meinte bald, er gibt Eckert keinen Unterricht mehr.

Und Eckert hatte nun als Erster verkündet, dass er nicht mehr möchte. Gibt es deshalb auch einfach keine Zukunft mehr für MOTHER´S PRIDE, weil diese Rhythmusgruppe damit zerfällt?
Erst einmal ist Eckert Gründungsmitglied. Also das ist nicht unerheblich, wenn die Basis aufhören will. Wenn ich auf ein SPECIALS-Konzert gehe, ärgere ich mich immer, dass da von den Alten keiner mehr da ist.

Was ist denn der genaue Grund, warum zuerst Eckert und dann viele Andere aus der Band einen Schlussstrich ziehen wollen?
Es ging um die Zeit, die in die Band investiert werden muss. Sprich um Proben und um organisatorische Sachen. Bei vielen war die Zeit durch Arbeit oder Diplom nicht mehr vorhanden. So etwas kann schnell in Frust überschlagen und zu einem dramatischen Split führen, weil alle keinen Bock mehr haben. Ehe man sich verstreitet, wenn man so etwas Schönes über die Jahre aufgezogen hat, sollte man das gütlich beenden. Sonst kann man sich irgendwann nicht mehr in die Augen schauen.

Eure letzte Auswärtsfahrt nach Jena war ja sehr lustig. Die fast komplette Rückfahrt nach Berlin habt ihr im Bandbus alte Gassenhauer gesungen. Keine Spur von Müdigkeit oder Frust vom Bandleben. Wird euch so etwas nicht fehlen?
Ja, das ist auch das Gute an einer großen Band. Bei einer klassischen 3er-Punkbesetzung hast du erst einmal ein Problem, wenn sich zwei streiten. Bei uns kannst du dich dann in Grüppchen verziehen. Das heißt, wenn mal eine Schräglage ist, muss sich das konsequenterweise nicht gleich auf alle übertragen. Das hatte Vorteile. Unsere Fahrten waren immer prima. Wir haben uns überraschend gut vertragen. Auch in schwierigen Zeiten. Wie bei unserer Tour Spontan durch Frankreich und Spanien im Hochsommer. Du sitzt da stinkend, klebend zusammengepfercht auf engem Raum, deine Gigs sind nicht richtig klar, und du musst große Strecken an einem Tag herunterreißen. Das ist so ein typisches Bandfeeling, wenn du nicht das Glück hast im Nightliner unterwegs zu sein.

Was wirst du ohne die Band vermissen und worüber bist du nun ganz glücklich?
Also wer selbst in einer Band spielt, wird mir bestätigen können, dass es ganz schwer ist, wenn man einmal Blut geleckt hat, nicht mehr auf der Bühne zu stehen. Ich gehe ja selbst gerne auf Konzerte. Ich werde das Feeling dort oben bestimmt vermissen. Was ich nicht vermissen werde, gibt es wohl gar nicht. Höchstens falls ich wieder in einer Band bin, dass ich an meine Mitmusiker bestimmte Kriterien setze. Ich möchte eine Gruppe, in der die Musik an erster Stelle steht. Ich möchte nichts über das Knie brechen, aber wenn man die Chance hat, zwei, drei Wochen oder länger durch Europa zu touren, dann würde ich auch gerne Bandmitglieder haben, die schreien: "Oh, da bin ich sofort dabei." Und nicht: "Ach nö, habe keine Zeit. Ich muss mein Grüner Tee-Seminar besuchen. "Wir sind doch nur eine Hobbyband...".

Mit eurem Reggaeeinfluss seid ihr aber seit der letzten Studio-LP "Take That" im Songwriting immer langsamer geworden. Weshalb dauert das alles so lange bei euch?
Neue Songs müssen eben reifen wie ein guter Wein. Insofern waren wir ein Stück zu konservativ, weil ein gewisser Hang zum Perfektionismus bei einigen Leuten dabei war. Wir arbeiten eben anders. Wir hätten gar keinen Plattenvertrag so einfach mehr unterschreiben können, die Scheibe veröffentlichen und danach ein Monat auf Tour gehen. Dafür fehlt uns einfach die Zeit.

Was bringt die Zukunft den neun Herrn? Meyer kellnert weiter im Zosch und veranstaltet dort zweimal im Monat den Island Night Club donnerstags. Daraus ist ein Forum für junge Nachwuchsskabands geworden. Sonst legt er mit Eckert alias Goldfinga im Zosch bei der Mother´s Brothers Lounge samstags auf. Roland hat seine All Niter in der Völkerfreundschaft, wenn er nicht in Bremen auflegt. Die drei legen auch unregelmäßig im Schokoladen auf. Der große Unterschied ist, dass man für Auflegen nicht regelmäßig proben muss. Posaunist Sebastian alias Johann hat seine SkaJazzReggae-Gruppe WOOD IN DI FIRE, die zwischen Zosch und Schokoladen jeden Monat pendelt. Außerdem hält sich das hartnäckige Gerücht der Shanty-Combo ROTE LATERNE mit J.B., Roland und ähnlich finsteren Nordlichtern. Tenorsaxophonist Achim kehrt in Jazzbands zurück. Berry widmet sich Berlins ältester Skaband YEBO.

Florian Vogel

 

 


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